So werden Infrastrukturen nachhaltig
Im Hochbau wird der unabhängige Standard Nachhaltiges Bauen Schweiz seit vielen Jahren mit Erfolg angewendet und stösst dabei auf zunehmen-de Beachtung. Nun folgte im Oktober 2020 sein Pendant für den Tiefbau, das es möglich macht, auch Infrastrukturbauten nachhaltig zu planen und zu erstellen.

Nachhaltiges Bauen begrenzte sich bis-her auf den Hochbau und betraf dort vor allem die Energieeffizienz. So entstanden diverse Labels und Standards in diesem Bereich. Auch belegen unterschiedliche Fördermassnahmen und Subventionen die Anstrengungen, den Energiever-brauch und die daraus resultierenden CO2-Emissionen des Gebäudeparks zu reduzieren. Von nachhaltigen Betrach-tungen dagegen weitgehend ausgeklam-mert blieben unsere unzähligen Bauten im Infrastrukturbereich für Mobilität, Wasser, Schutz, Energie oder Kommuni-kation. Die bundesrätliche Strategie «Nachhaltige Entwicklung» verfolgt be-züglich unserer gebauten Umwelt jedoch das klar formulierte Ziel, neben Hoch-auch Tiefbauten nach anerkannten Stan-dards der Nachhaltigkeit zu planen, zu erstellen, zu betreiben und weiterzuent-wickeln.
Neu entwickelte und unabhängige Standards
Aufgrund dieser Strategie entstand das Netzwerk Nachhaltiges Bauen Schweiz (NNBS), das von mehreren Bundesäm-tern sowie privaten Partnern getragen wird. Es hat während der letzten Jahre Grundlagen definiert, die bestehenden Vorgaben zusammengetragen und neue Beurteilungskriterien entwickelt. Ziel die-ser Arbeiten war das Schaffen eines praktikablen Instruments, mit dem sich die Nachhaltigkeit eines Projekts beurtei-len und bewerten lässt. Der Standard für nachhaltiges Bauen (SNBS) im Hochbau wurde schon vor einigen Jahren freige-schaltet und stösst mittlerweile auf gros-ses Echo. Indikatoren zeigen in den drei Bereichen Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt, ob und wie nachhaltig ein Hoch-bau ist. Das NNBS hat nun auch für den Bereich der Infrastruktur einen Standard erarbeitet, der im Oktober 2020 freige-geben wurde. Wie der Standard für den Hochbau beurteilt er Objekte des Tief-baus und bewertet sie aufgrund verschie-dener Kriterien aus den drei Nachhaltig-keitsbereichen sowie aus übergreifenden, transversalen Themen. Der komplett neu erarbeitete Standard für Infrastrukturen wurde bei sechs Pilotprojekten noch einem letzten Praxistest unterzogen. Da-bei handelt es sich um sehr verschiedene Infrastrukturbauten von der Kläranlage über die Gewässerkorrektion und eine Hochspannungsleitung bis zu einem Waf-fenplatz sowie zur Bahn-und Strassen-infrastruktur.

Mit Indikatoren und Punkten zum Ziel
Woraus besteht dieser neue Standard nun und wie arbeitet man damit? Zur Hauptsache besteht er aus einem Excel-Tool und einem Kriterienbeschrieb.
Anhand der darin gestellten Anforderun-gen werden die insgesamt 75 Indikatoren aus 29 Kriterien mit Punkten bewertet. Zwei Punkte gibt es für erfüllte Anforde-rungen, einen Punkt für teilweise erfüllte und null Punkte für nicht erfüllte. Aus dem Durchschnitt seiner Indikatoren be-rechnet sich danach die Note eines Krite-riums.
Wichtig ist, dass der SNBS Infrastruktur in verschiedenen Phasen eines Projekts zur Anwendung gelangt, denn das mehr-fache Anwenden in verschiedenen Ent-wicklungsstadien eines Projekts erhöht dessen Nachhaltigkeit. So können bei-spielsweise während der Vorstudien die Sollwerte der Indikatoren mit dem Stan-dard bestimmt werden. Doch dient er auch bei der Variantenwahl als Entschei-dungshilfe und während der Projektie-rung lässt sich mit ihm die Nachhaltigkeit weiter optimieren. Bei der Ausschreibung können die Inhalte des SNBS schliesslich einen Dienst als Inspirationsquelle beim Definieren der Eignungs-, Zulässigkeits-oder Zuschlagskriterien sowie beim Pflichtenheft leisten. Der SNBS Infra-struktur eignet sich darüber hinaus auch zum Beurteilen und Optimieren beste-hender Infrastrukturen.

Checklistenartiger Aufbau
Der neue Standard für die Infrastruktur wurde im Oktober 2020 freigeschaltet und kann unentgeltlich verwendet wer-den. Er schliesst eine bis jetzt beste-hende Lücke im Tiefbau und führt erst-mals Nachhaltigkeitskriterien bei der Planung und Ausführung von Infrastruk-turbauten ein. Das auch in der Praxis ge-prüfte Instrument schafft Sicherheit beim Umgang mit diesen neuen Kriterien. Der checklistenartige Aufbau hilft zudem ganz wesentlich beim Hinterfragen der bis anhin gepflegten Prozesse sowie bei deren Prüfung auf Vollständigkeit. Die Rückmeldungen aus den ersten Projek-ten weisen darauf hin, dass der neue Standard als wertvoll beim Eruieren von Verbesserungspotenzial und damit als willkommenes Instrument betrachtet wird. ■