Kästli Fachtagung in Rubigen
Rund 100 Fachleute und Interessierte aus Bau, Wissenschaft und Politik diskutierten an der Kästli Fachtagung in der Kiesgrube Rubigen die Frage: Wann ist Kreislaufwirtschaft im Bau nachhaltig?

Die Antworten: Nachhaltigkeit braucht Balance zwischen Ökologie, Ökonomie und Sozialem, sie kostet – und sie verlangt Mut und Verantwortung von allen Beteiligten.
Nachhaltigkeit als Balanceakt
Keine andere Branche bewegt in der Schweiz so viel Material wie der Bau. Das hat Folgen für Umwelt, Ressourcen und Klima – und ein grosses Potenzial: Wenn es gelingt, Baustoffe möglichst lange im Nutzungskreislauf zu halten, nehmen Ressourcenverbrauch und Abfallmengen deutlich ab. Im Bau entstehen jährlich rund 75 Millionen Tonnen Bauabfälle. Obwohl bereits 70% davon wiederverwertet werden, verdeutlicht diese Grössenordnung, warum eine konsequente Kreislaufwirtschaft unverzichtbar ist. In der Branche wächst das Bewusstsein für diese Verantwortung. Immer mehr Unternehmen wie Kästli suchen aktiv nach Lösungen und wollen ihren Beitrag leisten.
In der Praxis zeigt sich, dass Kreislaufwirtschaft komplex ist. «Zirkularität ist mehr als Recycling», betonte Prof. Susanne Kytzia von der OST (Ostschweizer Fachhochschule). «Kreislaufwirtschaft ist ein Balanceakt zwischen ökologischen, ökonomischen und sozialen Interessen.» Es sei wichtig, dass alle Mitarbeitenden Kreislaufwirtschaft verstehen, damit sie im Alltag entsprechend handeln können. «Die vielen kleinen Entscheidungen auf den Baustellen können in der Summe einen grossen Unterschied machen.»

Kosten und Verantwortung
Die Bauwirtschaft hat Jahrtausende lang die Linearwirtschaft perfektioniert: Material abbauen, nutzen, entsorgen. «Dieses Denken ermöglicht Gewinne, verursacht aber gleichzeitig enorme ökologische und soziale Kosten», so Patric van der Haegen von den Eberhard Unternehmungen. «Umso wichtiger ist es, dass wir als Branche jetzt Verantwortung übernehmen und die Weichen neu stellen.» Die Experten an der Kästli Fachtagung waren sich einig: Auf dem Weg zur Kreislaufwirtschaft braucht es in der Baubranche ein grosses Umdenken. Martin Moser vom Amt für Wasser und Abfall des Kantons Bern schlug vor, den Zeithorizont zu erweitern: «Wer kurzfristig rechnet, sieht nur den Preis. Wer langfristig rechnet, erkennt, dass Nachhaltigkeit nicht nur kostet, sondern Wert schafft.» Pascal Remund machte deutlich, was es dazu braucht: «Wir müssen vorausschauend denken und handeln – im Interesse derjenigen, die nach uns kommen.» Generationenübergreifendes Denken prägt Kästli seit fünf Generationen. Die Kreislaufwirtschaft ist heute fester Bestandteil der Unternehmensstrategie.
Kreislaufwirtschaft muss in langen Zyklen gedacht werden. Manuel Schweizer, CEO des Textil-Start-ups OceanSafe, brachte es pointiert auf den Punkt: «Wir dürfen nicht dümmer sein als die Natur.» Diese habe über Jahrmillionen funktionierende Kreisläufe hervorgebracht – ohne Abfall und ohne Verschwendung. Daran müsse sich auch die Wirtschaft orientieren. «Kreislaufwirtschaft verlangt Leidensfähigkeit – sie ist nicht der einfache Weg, aber der richtige.» Langfristiges Denken ist entscheidend. Damit auch langfristig und ganzheitlich gehandelt wird, braucht es Anreize und Rahmenbedingungen. An der Fachtagung wurde mehrfach betont, dass Kreislaufwirtschaft eingefordert werden muss – etwa durch Vorgaben in Ausschreibungen und messbare Standards. Michael Widmer, Geschäftsführer des Verbands Baustoffkreislauf Schweiz (BKS), formulierte dazu klare Erwartungen an die Politik: «Für eine werterhaltende Kreislaufwirtschaft brauchen wir ein Umdenken in der Politik, eine öffentliche Beschaffung, die zirkuläres Bauen bewusst fördert, und die Rückendeckung der Behörden.»
Mut als Voraussetzung
Soll Kreislaufwirtschaft im Bau gelingen, braucht es neben langfristigem Denken und klaren Rahmenbedingungen noch eine weitere Zutat: Mut. Kreislaufwirtschaft muss nicht nur verstanden, sondern vor allem auch gelebt werden. «Wir dürfen nicht darauf warten, dass alles perfekt ist», betonte Pascal Remund von Kästli. «Kreislaufwirtschaft ist kein Ziel, sondern ein Weg, auf dem wir ständig dazulernen. Entscheidend ist, dass wir jetzt handeln – gemeinsam und mutig. Für unsere Lebensgrundlagen, für ein faires Miteinander und für die Generationen nach uns.»