Durchzug
Sollen bei Altbauten Undichtigkeiten und Leckstellen beseitigt werden, wird oftmals die umfassende Sanierung der Gebäudehülle empfohlen. Unter anderem aus Kostengründen können alternative Einzelmassnahmen sinnvoll sein.
Altbauten haben gegenüber neuzeitlichen Gebäuden einen entscheidenden Vorteil. Sie haben so viele Undichtigkeiten, dass die Räume auch ohne Öffnen der Fenster genug belüftet werden. Was im Sommerhalbjahr durchaus angenehm ist, wird in der kalten Jahreszeit allerdings zum Mühsal. Manch einer kennt die Befindlichkeit, bei aufgedrehter Heizung mit Finken, Pulli und Schal im Haus zu sitzen und trotzdem zu frösteln. Selbst wenn keine direkte Zugluft feststellbar ist, kann wegen kalten Oberflächentemperaturen von Aussenbauteilen der Wohnkomfort massiv beeinträchtigt sein. Heutzutage werden im Bauwesen den Liegenschaftsbesitzern zur Eliminierung von Undichtigkeiten und Leckstellen und den damit verbundenen Energieverlusten diverse Patentrezepte schmackhaft gemacht. An erster Stelle wird meist die Sanierung der Gebäudehülle genannt, was grösstenteils durch die Anbringung einer Aussendämmung und der Erneuerung der Fenster erreicht werden will. Als nächstfolgende Priorität findet oft die thermische Dämmung des Dachbereichs Erwähnung und danach jene der Kellerdecke. Während die beiden letztgenannten Massnahmen ein gutes Kosten- Nutzen-Verhältnis aufweisen und punkto Erscheinungsbild und der Beeinträchtigung historischer Bauteile keine Probleme bereiten, hat eine Gesamtsanierung mit Aussendämmung und Fenstererneuerung – ob Holz- oder Massivbau – weitreichende Auswirkungen auf das charakteristische Erscheinungsbild eines Gebäudes und der zukünftigen Lebensdauer seiner Bauteile. Die aussergewöhnlich langlebige und qualitativ hochstehende Materialisierung alter Häuser, insbesondere jene vor 1940, ihre teilweise aufwendige formale und charakteristische Gestaltung sowie die solide und überaus intelligente Ausbildung konstruktiver Details von Sockel bis Vordach werden durch neuzeitliche energetische Sanierungen teilweise in stossender Weise ignoriert und übergangen. Dass die staatlichen Energievorschriften diese Problematik in vielen Bereichen auslösten oder zusätzlich verschärfen, macht den sorgsamen Umgang mit hochwertiger Altbausubstanz nicht einfacher. Ausserdem ist der Ansatz einer Aussendämmung der Gebäudehülle sehr kostenintensiv. Was für die Bauwirtschaft verlockende Pfründe darstellt, ist für den Hausbesitzer oftmals ein immenser Kostenaufwand, den viele Besitzerschaften nicht zu tragen bereit oder fähig sind, zumal er nur in geringfügiger Weise auf die Miete abgewälzt werden kann.
Aufwendig oder schlank und sanft?
Wären Aussendämmungen eine energetisch hervorragende Massnahme, könnten die hohen Kosten wenigstens sinnvoll argumentiert werden. Weil heute jedoch der passive solare Wärmegewinn von opaken Aussenbauteilen fatalerweise nicht berücksichtigt wird, können folgerichtig die mit Computerberechnungen in Aussicht gestellten Energieeinsparungen in der Praxis kaum je erreicht werden. Kommt dazu, dass heute ca. 80 Prozent der Aussendämmungen mit Polystyrolplatten ausgeführt werden, was für den Feuchtehaushalt der Sockelmauern bei Bruch- und Backsteinmauerwerk von Gebäuden vor 1920 hochproblematisch ist und schon manches Keller- und Erdgeschoss wegen überhöhter Feuchte Jahre später zu einem kolossalen Sanierungsfall werden liess. Wegen den oben aufgeführten nachteiligen Punkte, die beliebig erweitert werden könnten, ist alternativ bei vielen Altbauten ein Katalog von intelligenten substanzschonenden Einzelmassnahmen gefragt, der, mit verhältnismässigem Aufwand durchgeführt, ein ideales Kosten- Nutzen-Verhältnis aufweist und problemlos etappiert werden kann. Die nachfolgend aufgeführten Leckstellen (=Kaltlufteinströmungen) stellen dabei die am meisten anzutreffenden und am einfachsten zu behebenden Schwachstellen der Gebäudehülle von Altbauten dar: Kehlboden: Der Kehlboden, die oberste Balkenlage unter dem Dach, ist in seinem Übergang zur Dachfläche besonders anfällig auf Kaltlufteinströmungen. Sowohl ungedämmte als auch in den letzten Jahrzehnten gedämmte Konstruktionen lohnt es sich hier mit kapillarfähigen Dämmstoffen nachzudämmen. Dachfenster: Anschlüsse um Dachflächenfenster sind bauphysikalisch sehr heikel und sollten besonders sorgfältig gedämmt und gedichtet werden. Fenster, die älter als 10 Jahre sind, müssen in der Regel nachgedämmt werden. Dachfuss: Bei den meisten Altbauten tritt beim Dachfuss Kaltluft in die anschliessende Balkenlage. Hier ist eine genaue Analyse der Dichtungsmassnahmen gefragt. Estrichabschlusstüre: Um den verhängnisvollen Kamineffekt im Treppenhaus zu unterbinden, der sehr viel Warmluft in den Dachboden befördert und dadurch über die meist undichten Wohnungsabschlussfronten in den Wohnungen Unterdruck bewirkt (Es zieht bei den Fenstern rein»), ist die Neumontage einer gedämmten Türe mit Alueinlage (Klimaklasse beachten) unerlässlich. Zur Wahrung des originalen Erscheinungsbildes wird empfohlen, die alte Türe als Doppel aufzusetzen und die originale Drückergarnitur zu verwenden. Zwischendecken: Auch wenn sie im Warmbereich liegen, finden sich selbst bei Zwischendecken in Massivbauten, noch viel öfter in Holzbauten, Kaltlufteinströmungen, welche meterweit in das Gebäudeinnere reichen. Diese können durch das Ausblasen der Hohlräume unter- und oberhalb des Blindbodens in den Balkenlagen mit Zelluloseflocken eliminiert werden.
Sockelleisten: Über Nebenwege (Fenster, Balkenlagen etc.) tritt oft durch die meist ca. 10 bis 15 Millimeter hohe Fuge unter dem Sockelbrett (Lambrie), welche hinter der Sockel- bzw. Staubleiste liegt, Kaltluft ein, welche mit dem Stopfen von Seidenzöpfen unterbunden werden kann. Täfelungen, Täfer, Füllungen, Verkleidungen: Im zumeist ca. 10 bis 20 Millimeter starken Hohlraum hinter Täfelungen, Füllungen von Fensterbrüstungen und Fensterverkleidungen können sich Kaltluftströme ungehindert verbreiten. Hier empfiehlt es sich, offene Fugen mit Seidenzopf zu stopfen und Flächen im Düseverfahren mit Zelluloseflocken zu hinterfüllen.
Rollladenkästen: Besonders heikle Bauteile sind innenliegende Rollladenkästen, allgemein die prekärsten Wärmebrücken von Altbauten. Einerseits gilt es, die Fläche der hölzernen Rollladenverkleidung gegen den Rollladen hin nachzudämmen (meistens sind 20 bis 30 Millimeter Dämmung möglich), andererseits, seitlich die gegen oben offenen Futter und Verkleidungen mit Seidenzöpfen zu dichten und den Falz des Servicedeckels mit einer Gummidichtung nachzurüsten. Kamine: Stillgelegte Kamine bringen Kaltluft bis weit in das Gebäude hinein. Sie sind an ihrer Mündung thermisch (vom Dachdecker) zu dämmen. Installationsschächte: In Installationsschächten entsteht selbst bei kleinen Undichtigkeiten ein Kamineffekt und damit ein starker Thermiksog. Sinnvoll ist es, solche Schächte mit Zellulose auszublasen. Kellerabschluss: Für die Kellerabschlusstüre gilt dasselbe wie für den Estrichabschluss: das Einsetzen einer gedämmten Türe mit Alueinlage, auf welche als Doppel zur Wahrung des ursprünglichen Erscheinungsbildes die alte Kellertüre aufgesetzt wird. Kellerdecken: Die Dämmung von Kellerdecken bewirkt für die Erdgeschosswohnung höheren Wärmekomfort und ermöglicht, den Keller im Winter trocken zu lüften.