Neubau mit zirkulärem Beton

In der Gemeinde Grüsch im Kanton Graubünden hat das Architekturbüro Ritter Schumacher eine alte Mühle zu einem Wohnungsbau umgebaut. Das Hauptgebäude wurde saniert und umgebaut. Der Getreideturm musste zwar abgerissen werden, doch der Beton wurde nach einer eigens entwickelten Rezeptur neu aufbereitet und für den Wiederaufbau genutzt.

Die Gemeinde Grüsch im vorderen Prättigau liegt zwischen Landquart und Schiers. Ortsfremde wundern sich vielleicht über ein grosses Wohngebäude, das weit über den örtlichen Kirchturm hinausragt und auf den ersten Blick überdimensioniert wirkt. Doch für Einheimische ist der schon von weitem sichtbare Bau eine Art Wahrzeichen, auch wenn er sich jetzt in schwarze Solarpaneele kleidet: Denn Form und Volumen des Wohnturms entsprechen dem Silo der Getreidemühle am Schmittenerbach, deren Geschichte bis ins 16. Jahrhundert zurückreicht.

Seit der Stilllegung im Jahr 2010 wurden verschiedene Ideen für die Umwandlung der Industriebrache durch Abriss und Neubau wieder fallengelassen, weil sie aus Sicht der klassischen Immobilienentwicklung zu wenig Rendite versprachen und zu viel Risiko bargen. Schliesslich erwarb die Gutgrün AG das Areal mit dem ausdrücklichen Ziel, hier ein Projekt des zirkulären Bauens mit Modellcharakter entstehen zu lassen.

Umbau mit minimalem Materialeinsatz

Im Hauptgebäude und im Turm sind 52 Wohnungen entstanden, die im November 2025 bezogen werden konnten. Wo es möglich war, blieben die Oberflächen des Altbaus unbehandelt. Sogar die Graffiti einer Urban-Art-Ausstellung blieben erhalten, die das Haus als eines der Zwischennutzungsprojekte in den Jahren des Leerstands nutzte.

Beim fensterlosen Siloturm mit seinen vielen Kammern und dünnen Wänden war aus statischen Gründen keine Sanierung mit Minimalaufwand möglich. Nach dem Rückbau wurden die Baustoffe jedoch sortenrein getrennt und nach Möglichkeit wiederverwendet. Der Altbeton wurde zu hundert Prozent im nahe gelegenen Werk Untervaz gebrochen, rezykliert und beim Neubau wieder eingesetzt. Für die Betonproduktion wurde die benötigte Kiesmischung zu 75 bis 95 Prozent durch Betonabbruch ersetzt und ein CO2-reduzierter Zement verwendet. So besteht der Wohnturm nun zu 60 Prozent aus Material des alten Turms. Die Rezeptur wurde zusammen mit Kieswerk, Baumeister, Zementhersteller und Statiker nicht nach SIA-Norm, sondern exakt auf die für die Statik benötigte Körnung abgestimmt.

Für die ganze Mühle gilt: Neu eingesetzte Materialien sind konsequent Eco-zertifiziert, also schadstofffrei und ressourcenfreundlich hergestellt. So stammt das Holz aus der Schweiz und ihren Nachbarländern, für die Dämmung wurde regionale Steinwolle eingesetzt. Alle Materialien sind für eine etwaige spätere Umnutzung oder einen Rückbau dokumentiert.

Voller Energie

Eine Art Kraftwerk ist die Mühle Grüsch trotz der Umnutzung geblieben. Früher nutzte man die Wasserkraft, um Mehl und dann auch Strom zu produzieren. Heute versorgen Solarzellen an der Fassade und auf dem Dach die Hausbewohner mit Energie. Für Wärme sorgt eine zentrale Wärmepumpe, ergänzt durch kontrollierte Lüftung mit Wärmerückgewinnung. Das Energiekonzept der Mühle Grüsch basiert vollständig auf erneuerbaren Quellen. Der Turm erfüllt den Minergie-P-Standard und soll über den gesamten Lebenszyklus hinweg eine optimierte CO2-Bilanz erreichen. Die Architekten Ritter Schumacher haben dafür die Tragkonstruktion, die Grundrisse, die Installationen und selbst das Design konsequent auf die CO2-Emissionen weiterentwickelt. Dabei ist auch eine neue Ästhetik entstanden, wie am deutlichsten wohl die schwarzen, matt glänzenden Solarpaneele zeigen, die die Fassade vertikal gliedern.

Nachhaltiges Bauen rechnet sich

Mit dem Mühle-Projekt will die Gutgrün AG zeigen, dass nachhaltiges Bauen auch ausserhalb der urbanen Zentren möglich ist und sich rechnet. Die Erstellungskosten werden mit 22 Millionen Franken angegeben. Dafür erhielt der Neubau drei DGNB-Zertifizierungen: schweizweit das erste Rückbauzertifikat mit DGNB-Platin für den Abbruch, DGNB-Gold je für den Neubau des Turms und für die Sanierung des alten Mühlengebäudes. Ritter Schumacher arbeitet übrigens häufig in einem Allianzmodell: Planende, Bauherren und ausführende Firmen sind bereits frühzeitig involviert, entwickeln das Projekt gemeinsam und setzen es um.

> ritterschumacher.com/

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